trans-rahmen-black Architektur

Die in diesem Buch versammelten Texte stehen für eine programmatische Theorie, die das prekäre Verhältnis zwischen der Architektur und der Moderne auslotet. Ihr Zentrum bilden die Grenzerfahrungen der Ketzer und Pioniere, der Avantgardisten, Enzyklopädisten und Paranoiker, aber auch Phänomene wie die Popkultur, die Verausgabung, der Fortschritt und sein Gegenteil: Stille, Tradition und Natur. Nahezu alles also, was die die Architektur herausfordert, stärkt und schwächt.

Der Autor schreibt im Vorwort: „Als die Auswahl der Texte getroffen war und sie mir in chronologischer Folge vorlagen, erschienen sie mir wie die aufeinander folgenden Kapitel eines Buches, an dem ich über ein Jahrzehnt lang geschrieben habe. Von Vortrag zu Vortrag und Aufsatz zu Aufsatz werden gezielt Fäden gesponnen, die dem Zweck dienen, Bausteine zu einer Theorie der modernen Architektur zusammen zu tragen und aufeinander zu schichten. Herausgekommen ist nur ein Rohbau – mithin weniger, als der Titel verspricht, aber zugleich deutlich mehr als nur ‚Noten zur Architektur‘, wie das Buch ursprünglich heißen sollte.

Die hier versammelten Texte sind die eines Überzeugungstäters. In ihnen hallt die Programmatik von Primärtexten nach, die mich am meisten fasziniert haben. Verstöße gegen das wissenschaftliche Arbeiten demonstriert schon die Tatsache, dass nicht alle Texte mit Fußnoten und Quellenangaben versehen sind. Dafür geht ihnen völlig ab, was manchem Kollegen vorzuwerfen ist: die Parteinahme für lebende Architekten. Engagiert Position wollte ich immer nur für die Architektur per se ergreifen – für die Architektur als einer reflektierten und politisch engagierten Kunst.”

 

Gerd de Bruyn studierte in Frankfurt Literatur- und Musikwissenschaft und später auch Architektur an der Städelschule bei Günter Bock. Nach seiner Promotion in Soziologie bei Helmut Dahmer an der TU Darmstadt und einer ersten Berufslaufbahn als Redakteur wurde er Hochschullehrer. Zunächst in Berlin an der Kunsthochschule Weißensee, wo er Städtebautheorie unterrichtete. Im Sommer 2000 erfolgte der Ruf an die Universität Stuttgart auf den Lehrstuhl für Architekturtheorie. Seitdem leitet er das Institut für Grundlagen moderner Architektur und Entwerfen (Igma). Seine drei wichtigsten Buchpublikationen sind: Die Diktatur der Philanthropen (Braunschweig 1996), Fisch und Frosch oder die Selbstkritik der Moderne (Basel 2001), Die enzyklopädische Architektur (Bielefeld 2008).

 

ISBN: 978-3-928249-77-5
Paperback
184 Seiten, 22 x 15,5 cm – 14,00 €

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Leseprobe

 

Ursula Baus schrieb am 30. Januar 2018 im Online-Magazin “Marlowes“ über Gerd de Bruyns Buch “Theorie der modernen Architektur“:

“Seine Ausbildung führte Gerd de Bruyn wie einen akademischen Nomaden in allerlei Fachbereiche: Er studierte Literatur- und Musikwissenschaft, dann am Städel in Frankfurt Architektur und promovierte im Fach Soziologie in Darmstadt. Was ihn nun über Jahrzehnte gedanklich bewegte, zeichnet ihn als Wanderer zwischen den Welten im interdisziplinären und essayistischen Metier des Nachdenkens über Architektur aus. So führt der Titel „Theorie der modernen Architektur“ in die Irre: Gerd de Bruyn zeichnet nicht nach, was als Architekturtheorie der Moderne ausgemacht werden könnte. Nein, er schreibt es selbst im Vorwort: Gedacht sei das Buch „als Rückblick, Bilanz und Abschiedsgruß an alle, die ich vermissen werde“. Heiter verstößt er gegen wissenschaftliches Arbeiten, nimmt aber auch nie Partei für lebende Architekten – für tote schon. Und vor allem geht es ihm um Architektur als „reflektierte und politisch engagierte Kunst“.

Woran man sich gewöhnen muss, ist, wie Gerd de Bruyn von „der“ Architektur spricht, als sei sie eine handelnde oder denkende Person. Oder eine „enzyklopädische Wissenschaft“. Oder eine „anachronistische Synthese, die mehr oder weniger heroisch aufbegehrt gegen ihre Aufsplitterung in Einzeldisziplinen“. Und der Autor macht auch keinen Hehl daraus, dass ihn in den letzten Jahren – wie so viele – der traditionelle Charakter von Architektur mehr und mehr interessierte. So lesen sich die Beiträge wie ein kulturwissenschaftliches Tagebuch, in dem Streifzüge durch fast alle Aspekte der Architektur zu finden sind – Ornament, Atmosphäre, Ökonomie und Funktionalismus, Technik und Kultur, Populismus und Provinz und viele mehr. Es schimmert in allen Texten eine latente Skepsis gegenüber der Gegenwart: Um deren Architektur scheint es nicht gut bestellt zu sein. Gerd de Bruyns Texte sind dessen ungeachtet brillant geschrieben und damit stets ein Lesevergnügen.”